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Mehr Wissen über den Austausch von Treibhausgasen kann helfen, Heißzeit zu verhindern

Die europäische Forschungsinfrastruktur ICOS schafft standardisierte Langzeit-Beobachtungen des Treibhausgasaustauschs zwischen der Atmosphäre und terrestrischen sowie marinen Ökosystemen – Wissenschaftler diskutieren Ergebnisse vom 11. bis 14. September in Prag.

Führende Wissenschaftler warnen, dass die Erde auf eine Heißzeit zusteuert. Das Zusammenwirken von zehn bereits bestehenden Klimawandelprozessen könnte einen Domino-Effekt auslösen und die Erde in einen extrem heißen Zustand (hothouse) versetzen. Das erklären sie in einem Artikel, der im August in der wissenschaftlichen Fachzeitschrift PNAS erschienen ist. Beispiele solcher Prozesse sind das Schwinden des Meereises, das Sterben borealer Wälder und das Auftauen der Permafrostböden. 

Die meisten dieser zehn Klimawandelprozesse sind eng mit dem Kohlenstoffaustausch zwischen Land, Luft und Meer verknüpft. Alle Prozesse können Kipppunkte erreichen, die bei einer Überschreitung die Erde in ein neues, unumkehrbares Stadium bringen können. Um diese komplexen Prozesse zu verstehen, ist ein umfassendes Erdbeobachtungssystem notwendig. Dieses Ziel verfolgt die europäische Forschungsinfrastruktur „Integrated Carbon Observation System“ (ICOS), die Daten zu Treibhausgaskonzentrationen in der Atmosphäre und zum Kohlenstoffaustausch zwischen der Atmosphäre, den Landökosystemen und den Ozeanen liefert. 

„Da Treibhausgase die Klimaveränderung vorantreiben, müssen wir wissen, wie diese Gase zirkulieren, wodurch sie entstehen und wie ihre Menge in der Atmosphäre verringert werden kann. Ein Schlüssel zum besseren Verständnis dieser Vorgänge sind Beobachtungen, die höchsten Standards entsprechen, über mehrere Jahrzehnte durchgeführt werden und über Länder- und sogar Kontinentgrenzen hinausgehen“, sagt Dr. Werner Kutsch, ICOS-Generaldirektor. „Gut organisierte Forschungsrahmenbedingungen gewährleisten, dass diese Daten Wissenschaft und Gesellschaft zur Verfügung stehen.” 

ICOS ermöglicht Treibhausgasmessungen in Europa, an denen 12 Länder teilnehmen, auch Deutschland. Gemeinsam bilden sie ein Netzwerk von mehr als 130 Beobachtungsstationen auf dem gesamten Kontinent. Die ICOS-Daten ermöglichen einen umfassenden Blick auf diejenigen Treibhausgase, die durch den Menschen produziert werden, aber ebenso auf deren natürliche Quellen und Senken in den Ökosystemen. 

„Es ist wichtig, Treibhausgasmessungen über einen langen Zeitraum sowohl in der Atmosphäre als auch in den terrestrischen und marinen Ökosystemen durchzuführen. Nur wenn man das Zusammenspiel versteht, kann man belastbare Aussagen über die Quellen- und Senkenfunktion von Feldern, Wäldern und Meeren treffen“, sagt Dr. Christian Brümmer vom Thünen-Institut für Agrarklimaschutz, der den deutschen ICOS-Beitrag koordiniert. Entscheidend ist der Anteil von Treibhausgasen, der in die Atmosphäre gelangt und dort über einen längeren Zeitraum verweilt. Denn dieser Anteil ist für den Treibhauseffekt verantwortlich. „Standardisierte Langzeitbeobachtungen machen genauere Trendabschätzungen möglich, die bislang aufgrund limitierter Projektlaufzeiten kaum zu realisieren waren“, betont Brümmer die Führungsrolle von ICOS auf dem Gebiet integrierter Treibhausgasbeobachtung. 

Bereits sehr kleine Konzentrationsunterschiede zwischen den Messstationen können wichtige Informationen über die räumliche Verteilung der Emissionen von Treibhausgasen enthalten. Daher ist die höchst mögliche Genauigkeit und Standardisierung der Messdaten eine wesentliche Voraussetzung für die Aussagekraft der ICOS-Messungen. Um dieses Ziel zu verwirklichen, sind 2 zentrale Kalibrier- und Messlabors in Deutschland eingerichtet, eines in Heidelberg und eines in Jena. Als Teil des Max-Planck-Instituts für Biogeochemie in Jena arbeitet das „ICOS Flask und Kalibrierlabor” mit derzeit 12 MitarbeiterInnen in hochspezialisierten Analyselabors im Technologiecenter Felsenkeller. „Wir stellen für das gesamte, europaweite ICOS-Messnetz die benötigten Referenzgase her" so der Laborleiter für Spurengasmessungen, Dr. Daniel Rzesanke. "Zur Probennahme von Luftproben für aufwändigere Messungen in unseren Laboren, die an den Beobachtungsstationen nicht direkt durchgeführt werden können, werden bei uns die entsprechenden automatisierten Apparaturen entwickelt und gebaut“, ergänzt der Leiter des Isotopenlabors, Dr. Markus Eritt. Der Standort in Jena wurde aufgrund der international anerkannten Expertise des Max-Planck-Instituts im Bereich hochpräziser Treibhausgasmessungen gewählt. Mit seinen Leistungen trägt das Labor somit entscheidend zum Gelingen des Netzwerkes bei. 

Kutsch und Brümmer freuen sich auf die dritte wissenschaftliche ICOS-Tagung vom 11. bis 14. September 2018 in Prag, auf der führende Wissenschaftler auf dem Gebiet der Treibhausgasforschung aus der ganzen Welt zusammentreffen werden. Neben rein wissenschaftlichen und technischen Themen werden die Teilnehmer auch darüber sprechen, wie die gewonnenen Erkenntnisse Eingang in politische Entscheidungen finden können, um sicherzustellen, dass dem Überschreiten potenzieller Grenzwerte auf der Erde entgegengesteuert wird, bevor es zu spät ist.