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Neuer 3D-Sensor erfasst transparente Objekte

Eine neue Messmethode zur 3D-Formerfassung wurde von Forschenden am Fraunhofer-Institut für Angewandte Optik und Feinmechanik IOF entwickelt. Mit ihrem »MWIR-3D-Sensor« können sie Gegenstände dreidimensional scan[1]nen – ganz gleich, ob sie aus transparentem Kunststoff oder Glas bestehen. Selbst Objekte mit glänzend metallischen oder tiefschwarzen Oberflächen las[1]sen sich problemlos erfassen. Auch die Kombination verschiedener Werkstoffe ist für den neuen 3D-Infrarot-Sensor kein Problem. Im Bereich der 3D-Sensorik ist dieses Maß an Flexibilität bei der Beschaffenheit der Messobjekte ein No[1]vum. Anwendungen sind u. a. in den Bereichen Qualitätskontrolle in der Pro[1]duktion und Robotik denkbar. Das System wird seit dem 3. Mai erstmals auf der internationalen Fachmesse »Control-Virtuell« präsentiert.

Wollte man bisher spiegelnde, durchsichtige oder schwarze Oberflächen mit kon[1]ventionellen 3D-Scannern exakt vermessen, musste man zu diesem Zweck zunächst ihre Oberfläche behandeln. Das bedeutet: Für die Messung wurden die Objekte temporär mit Lack überzogen. Nach dem Scan musste dieser meist wieder aufwen[1]dig entfernt werden.

Gläser und transparente Objekte werden für Maschinen sichtbar

Die neueste Erfindung des Fraunhofer IOF macht diese unpraktische und zeitinten[1]sive Behandlung des Messobjektes künftig überflüssig. Das Verfahren eignet sich aufgrund der Größe des Messfeldes sowie der Auflösung und der Geschwindigkeit auch für die Qualitätskontrolle in Produktionsprozessen oder für Anwendungen in der Automatisierung.

Möglich wird dies, weil es den Forschenden des Fraunhofer-Instituts in Jena gelun[1]gen ist, Wärmestrahlung für die 3D-Erfassung nutzbar zu machen. Die Forschenden bezeichnen diese Methode daher als »3D-Sensorik im thermischen Infrarot«. Herz[1]stück des Systems ist ein energiereicher CO2-Laser, mit dem das Messobjekte be[1]strahlt wird.

Mit speziellen Linsen für hohe Leistungsdichten wird der Laserstrahl auf eine, das gesamte Objekt vertikal beleuchtende, Linie ausgeweitet. Für ein hochauflösendes Messergebnis wird diese Linie in einer speziell abgestimmten Sequenz über das Objekt bewegt. Die Energie des Laserlichts wird vom Messobjekt absorbiert und zum Teil wieder emittiert.

Kombination aus Thermografie und Triangulation

Zwei Wärmebildkameras analysieren diese thermische Signatur, die der schmale und intensive Infrarotstreifen auf dem Objekt hinterlässt, aus zwei verschiedenen Perspektiven. Eine selbst entwickelte Software errechnet aus den Informationen der zwei Blickwinkel anschließend räumliche Bildpunkte und fügt sie zu den exakten Abmessungen des Messobjektes zusammen.

Die für die 3D-Analyse eingebrachte thermische Energie ist so gering, dass das Ob[1]jekt keinen Schaden nimmt. Der Temperaturunterschied zwischen erwärmter und nicht erwärmter Fläche liegt üblicherweise bei unter 3 °C. Aus diesem Grund eignet sich das Verfahren auch für sensible Materialien.

»Mit dem Wechsel von einem vollflächigen Wärmemuster hin zu einem schmalen Wärmestreifen ist es uns gelungen, die Technologie so weiterzuentwickeln, dass wir die Anforderungen, die an einen 3D-Sensor im industriellen Einsatz gestellt werden, erfüllen können«, betont Martin Landmann, Forscher in der Abteilung »Bildgebung und Sensorik« am Fraunhofer IOF. Gemeinsam mit seinem Team und einer Gruppe Forschender der Innovationsallianz »3Dsensation« arbeitet er seit 2017 an dem System.

»Mit adaptiver Spiegeloptik ist es uns gelungen, die Leistung des Lasers auf eine deutlich geringere Oberfläche zu fokussieren und damit viel schneller den notwen[1]digen Kontrast für die Wärmebildkameras zu liefern. Erst dadurch war es möglich, bei einer Bildfeldbreite von 160 mm eine Genauigkeit von unter 10 µm für die 3D[1]Koordinaten zu erreichen«, erklärt er.

Anwendungen in der Robotik denkbar

Nach der erfolgreichen wissenschaftlichen Demonstration der neuen Messmetho[1]de arbeiten die Forschenden nun intensiv daran, das Messprinzip zur Marktreife zu treiben: »Für uns geht es jetzt darum, das System aus dem Labor in die Praxis zu überführen«, erläutert Landmann. Konkrete Anwendungsgebiete hat er auch bereits vor Augen: »Die Parameter unseres Systems lassen es zu, dass wir es für unterschiedliche Anwendungsszenarien optimieren. Wenn wir die Auflösung auf unter 50 µm reduzieren, können wir einen stereoskopischen Datensatz in unter einer Sekunde aufnehmen und sind damit schnell genug für Anwendungen in der Robotik.«

Am Fraunhofer IOF werden von Forschenden derzeit verschiedene Systeme entwi[1]ckelt, die auf der MWIR-3D-Messmethode basieren. Neben der Optimierung des Verfahrens für verschiedene Messszenarien und der Verwendung in industriellen Anlagen arbeitet das Team um Martin Landmann und Gruppenleiter Dr. Stefan Heist an einem System für die Anwendung in der Robotik. Dieses System kon[1]zentriert sich darauf, den Laboraufbau in einen möglichst kompakten und robusten Prototyp zu überführen. Auf diese Weise soll Robotern die Fähigkeit verliehen wer[1]den, transparente Objekte zu erkennen und zu greifen.

»Glass360Dgree« als erstes MWIR-3D-System auf der »Control-Virtuell« vorge[1]stellt

Das erste anwendungsnahe System, das dieses MWIR-3D-Messprinzip nutzt, ist »Glass360Dgree«. Das System ist speziell für die Überprüfung von Glaskörpern in der Optikfertigung ausgelegt und soll im weiteren Verlauf auch von Forschungs[1]partnern genutzt werden, um zu testen, wie sich das Messverfahren in ver[1]schiedenste Robotikprozesse integrieren lässt. Die Forschenden des Fraunhofer IOF präsentieren »Glass360Dgree« der Öffentlichkeit erstmals ab dem 3. Mai auf der »Control-Virtuell«, der internationalen Fachmesse für Qualitätssicherung.

Fachzeitschrift »inVISION« zeichnet neuen Sensor als »Top Innovation 2021« aus

Von der Zeitschrift »inVISION« – einem Fachmagazin für die Themen Bildverarbei[1]tung, Embedded Vision und Messtechnik – wurde die neue 3D-Messmethode im thermischen Infrarot bereits als »Top Innovation 2021« ausgezeichnet. »Wir freuen uns sehr über die Auszeichnung der inVISION«, sagt Gruppenleiter Dr. Stefan Heist. »Das ist eine wunderbare Bestätigung unserer intensiven Arbeit der letzten Jahre und eine großartige Motivation, unser 3D-Thermosystem weiterzuentwickeln.«

Videodemonstration und weiterführende Informationen

Eine Videodemonstration des Messsystems sehen Sie auf YouTube. Die Forschen[1]den veröffentlichten ihre grundlegenden wissenschaftlichen Entwicklungen zur MWIR-3D-Methode überdies auf der »The European Physical Journal Conferences 2020«.