Fortschritt für die Hirnforschung
Das holografische Endoskop, das Čižmár und sein internationales Team entwickelt haben, basiert auf optischen Fasern, die so dünn sind wie ein menschliches Haar. Diese Technologie erlaubt es, tief im Gehirn mit subzellulärer Präzision zu forschen. Damit eröffnen sich Neurowissenschaftlerinnen und Neurowissenschaftlern neue Möglichkeiten: Sie können Blutflussdynamik und neuronale Aktivität in bislang unerreichter Detailtiefe beobachten.
Diese Erkenntnisse tragen entscheidend dazu bei, neuronale Erkrankungen wie Demenz besser zu verstehen und zu behandeln. Darüber hinaus erlaubt die Technologie die wiederholte Untersuchung von Hirnstrukturen lebender Tiere, was das Verständnis der Hirnfunktion in dynamischen Prozessen – etwa bei sozialer Interaktion, Stress oder Lernvorgängen – verbessert.
Das Endoskop bietet außergewöhnliche Bildqualität, Stabilität und Geschwindigkeit, die für die Forschung in den tiefsten Bereichen des Gehirns erforderlich sind. Es ermöglicht Einblicke in die gesamte Tiefe des Gehirns und erfasst Details wie dendritische Stacheln oder subzelluläre Bläschen. Zudem misst es die Aktivität einzelner Neuronen sowie die Blutflussrate in einzelnen Gefäßen. Obwohl die Technologie bisher nur an betäubten Tieren getestet wurde, zeigt sie bereits jetzt großes Potenzial für neue Ansätze in der In-vivo-Neurowissenschaft. Die Grundlagen dieser Technologie wurden in führenden wissenschaftlichen Zeitschriften wie Nature und Science veröffentlicht.
Interdisziplinäre Expertise aus Jena und Brünn
Professor Čižmár verbindet in seiner Forschung Physik, Neurowissenschaften und Medizintechnik. Am Leibniz-IPHT in Jena leitet er die Abteilung für Faseroptik, lehrt Wellenleiteroptik an der Friedrich-Schiller-Universität Jena und führt seine Arbeit als Leiter der Forschungsgruppe „Komplexe Photonik“ am Institut für wissenschaftliche Instrumente der Tschechischen Akademie der Wissenschaften in Brünn fort. Mit seiner interdisziplinären Herangehensweise zeigt er, wie Grundlagenforschung und technologische Innovation zusammenwirken, um gesellschaftlich relevante Herausforderungen anzugehen.
Von der Forschung zur Anwendung: das Start-up DeepEn
Zusätzlich zu seiner wissenschaftlichen Tätigkeit berät Čižmár das Spin-off DeepEn, eine Ausgründung des Leibniz-IPHT. DeepEn entwickelt haarfeine Endoskope für die minimal-invasive Untersuchungen schwer zugänglicher Körperregionen. Mit subzellulärer Auflösung soll diese Technologie die Erforschung von Hirnerkrankungen unterstützen und perspektivisch zur Entwicklung neuer Therapien beitragen. Das Start-up erhielt für seine Innovationen bereits mehrere Auszeichnungen und ist aktuell für den Publikumspreis des Thüringer Innovationspreises nominiert (Link zur Abstimmung).
Text: Pavla Schieblová, Lavinia Meier-Ewert
Wissenschaftliche Laufbahn Professor Tomáš Čižmár:
- Seit 2017: Leiter der Abteilung für Faseroptikforschung und -technologie am Leibniz-Institut für Photonische Technologien, Jena und Professor für Wellen- und Faseroptik an der Friedrich-Schiller-Universität Jena
- Seit 2017: Leiter der Gruppe für Komplexe Photonik, Institut für wissenschaftliche Instrumente der Tschechischen Akademie der Wissenschaften in Brünn
- 2013–2017: Reader (außerordentlicher Professor) für Physik und Biowissenschaften, School of Science & Engineering, Universität Dundee, UK
- 2010–2013: Akademischer Mitarbeiter im Bereich Medizinische Photonik, Medizinische Fakultät, Universität St. Andrews, UK
- 2007–2010: Postdoc, Fakultät für Physik und Astronomie, Universität St. Andrews, UK
- 2006: PhD in Physik (Wellen- und Teilchenoptik), Institut für wissenschaftliche Instrumente der Tschechischen Akademie der Wissenschaften/ Masaryk-Universität Brno
Wichtige wissenschaftliche Projekte:
- 2024–2025: STED-aktivierte superauflösende Multimode-Faser-basierte holografische Endoskopie für die Tiefenbeobachtung neuronaler Konnektivität (STEDGate), finanziert vom ERC
- 2022–2024: Minimal-invasive Endoskope für die Überwachung der neuronalen Aktivität und optogenetische Stimulation tief im Gehirn (WOKEGATE), finanziert vom ERC
- 2022–2024: Holografisches Endoskop auf Einzelfaserbasis zur Beobachtung von Schlaganfällen in der Tiefenstruktur des Gehirns (StrokeGATE), finanziert vom ERC
- 2021–2025: Deep Brain Photonic Tools for Cell-Type Specific Targeting of Neural Diseases (DEEPER), finanziert durch EU H2020
- 2017–2023: Holographische superauflösende Mikroendoskopie für In-vivo-Anwendungen (LIFEGATE), finanziert vom ERC
- 2017–2022: Holographische Endoskopie für In-vivo-Anwendungen (Gate2µ), finanziert durch das OP Forschung, Entwicklung und Bildung
Wichtige Auszeichnungen:
- 2024: Preis für Biowissenschaften, Europäische Gesellschaft für Mikroskopie
- 2022: Silbermedaille für Patente und Patentanmeldungen, Internationale Fachmesse für Ideen, Erfindungen und Innovationen (IENA, Nürnberg)
- 2014: Ehrenlektorat der Universität von St. Andrews
- 2014: Werner von Siemens Excellence Award, Die bedeutendste Leistung in der Grundlagenforschung (1. Preis, verliehen an das Team von Professor Pavel Zemanek)