... where LIFE SCIENCE
meets PHYSICS

Pflanzen als Biofabriken, Pilze als Schädlingsbekämpfer

Die Wissenschaftspreise des Beutenberg-Campus Jena e.V. gehen in diesem Jahr an Marianna Boccia für die beste Doktorarbeit und ein Team um Hannah Büttner für eine exzellente wissenschaftliche Kooperation.

Im Rahmen der öffentlichen Vortragsreihe "Noble Gespräche" verlieh der Vorstand des Beutenberg-Campus Jena e.V. vertreten durch Prof. Wilhelm Boland (Bildmitte) am 03. April 2025 den Wissenschaftspreis für die beste Doktorarbeit am Beutenberg an Dr. Marianna Boccia (links im Bild). Die Laudatio hielt die Direktorin des Max-Planck-Instituts für chemische Ökologie Prof. Sarah O’Connor (rechts im Bild). [Foto: Beutenberg-Campus Jena e.V. | Tina Peißker]

Den Preis für ein exzellentes interdisziplinäres Kooperationsprojekt nahm Dr. Hannah Büttner stellvertretend für das gesamte Projektteam entgegen. Die Laudatio hielt Prof. Pierre Stallforth vom Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie – Hans-Knöll-Institut –. (v.l.n.r. Johannes Raßbach, PD Dr. Markus Greßler, Dr. Hannah Büttner, Prof. Wilhelm Boland (Vorstand Beutenberg-Campus Jena e.V.), Prof. Pierre Stallforth) [Foto: Beutenberg-Campus Jena e.V.| Tina Peißker]

Am 3. April 2025 wurden auf dem Beutenberg Campus in Jena die Wissenschaftspreise "Lebenswissenschaften und Physik" 2025 des Beutenberg-Campus Jena e.V. verliehen. Ausgezeichnet wurden in diesem Jahr die beste Doktorarbeit und eine beispielgebende Kooperation zwischen mehreren Instituten vom Beutenberg Campus.

Marianna Boccia vom Max-Planck-Institut für chemische Ökologie erhielt den diesjährigen Preis für die beste Doktorarbeit am Beutenberg. In ihrer Arbeit, die von Max-Planck-Direktorin Sarah O’Connor betreut wurde, untersuchte sie das erstaunliche Potential von Pflanzen als Biofabriken zur Herstellung wertvoller chemischer Verbindungen.

Hervorzuheben ist die Breite ihrer Forschungsthemen. In einem Projekt verwandelte sie Tabakpflanzen in Miniatur-Chemielabore. Unter Nutzung synthetischer Inhaltsstoffe und natürlicher Biosynthesewege entstanden so neuartige Verbindungen, die zur Entwicklung neuer Medikamente beitragen könnten! So zeigte Marianna Boccia auf beeindruckende Weise, dass man Pflanzen für die pharmazeutische Forschung neu programmieren kann. In einer weiteren Studie klärte sie das Geheimnis der Saponine auf, einer Gruppe von Verbindungen, die in Nachtschattengewächsen vorkommen. Saponine helfen den Pflanzen, sich gegen Schädlinge zu wehren. Marianna Boccia identifizierte ein „Gerüstprotein“, das für ihre Produktion entscheidend ist. Als sie Pflanzen genetisch so veränderte, dass ihnen dieses Protein fehlte, wurden sie anfälliger für Pflanzenfresser. Dies ist der erste eindeutige Beweis für die ökologische Rolle der Saponine. Diese Arbeit hat weitreichende Auswirkungen für die ökologische Grundlagenforschung, aber auch für mögliche Anwendungen in der Landwirtschaft und wurde in der Fachzeitschrift Science veröffentlicht. Ein drittes Projekt könnte unsere Ernährung revolutionieren: Marianna Boccia veränderte Tomaten so, dass sie Vitamin D produzieren, einen Nährstoff, der für unsere Gesundheit unerlässlich ist. Vitamin D ist in unserer Nahrung vor allem tierischen Ursprungs. So ist es beispielsweise in fettreichem Fisch vorhanden. Durch innovative Techniken, darunter die Verwendung eines Insektenproteins, konnte sie pflanzliches Cholesterin in Vitamin D umwandeln und ebnete damit den Weg für pflanzliche Vitamin-D-Alternativen mit enormem Anwendungs­potenzial.

„Ich fühle mich sehr geehrt, den Beutenberg-Campus-Preis für die beste Dissertation zu erhalten. Diese Auszeichnung motiviert mich, weiterhin zum Erkenntnisfortschritt in meinem Fachgebiet beizutragen“, sagt Marianna Boccia. „Die Herausforderung meiner Arbeit lag nicht nur in der Komplexität der Forschung, sondern auch darin, trotz der Höhen und Tiefen des wissenschaftlichen Prozesses und des persönlichen Lebens motiviert zu bleiben. Diese Auszeichnung unterstreicht die Bedeutung von Ausdauer, Neugier und Zusammenarbeit. Ich möchte mich daher auch bei meinen Mentorinnen und Mentoren sowie bei allen Kolleginnen und Kollegen bedanken, ohne die diese Arbeit nicht möglich gewesen wäre!“

„Marianna Boccias wissenschaftliche Herangehensweise demonstriert eindrucksvoll die Verschmelzung verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen – von der Massenspektrometrie zur Identifizierung neuer Verbindungen bis hin zum Einsatz biophysikalischer Assays und Mikroskopie zum Verständnis von Proteininteraktionen“, betont Sarah O‘Connor. Damit passt sie perfekt zum Motto des Beutenberg Campus „Life Sciences Meets Physics“.

Der Preis für die beste interdisziplinäre Kooperation auf dem Beutenberg Campus ging an ein interdisziplinäres Team, das in einer gemeinsamen Studie die schützende Wirkung des Bodenpilzes Mortierella alpina gegenüber Pflanzen untersucht hat. Die Studie erschien im Journal of the American Chemical Society (JACS). Der Pilz produziert bioaktive Malpinine. Diese neuentdeckte Substanzfamilie kann schädliche Nematoden bekämpfen. Malpinine bieten damit vielversprechende Ansätze für eine nachhaltige Landwirtschaft.

An der erfolgreichen Zusammenarbeit waren Wissenschaftler*innen des Leibniz-Instituts für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie (Leibniz-HKI), des Leibniz-Instituts für Photonische Technologien (Leibniz-IPHT) sowie der Friedrich-Schiller-Universität Jena beteiligt. Erstautorin Hannah Büttner, sie fertigte ihre Doktorarbeit unter der Betreuung von Christian Hertweck am Leibniz-HKI an, isolierte die Malpinine und klärte ihre chemische Struktur auf. Constanze Schultz aus dem Team von Jürgen Popp führte am Leibniz-IPHT spektroskopische Analysen durch, um die Verteilung der Malpinine mittels Raman-Spektroskopie sichtbar zu machen. Johannes Raßbach und Markus Greßler vom Institut für Pharmazie der Universität Jena untersuchten die biologische Aktivität der Malpinine und ihre Wirkung auf Nematoden.

Nur die enge Kooperation zwischen den Institutionen ermöglichte es, die komplexen Wechselwirkungen zwischen Pilz, Pflanzen und Schädlingen umfassend zu analysieren und neue Strategien für den biologischen Pflanzenschutz zu entwickeln.

 

Hintergrundinformationen

Der Beutenberg-Campus Jena e.V. bildet ein Kompetenznetz aller auf dem Jenaer Beutenberg zusammengeschlossenen Forschungs-, Betreiber- und Gründerzentren und bündelt die Interessen von neun Forschungseinrichtungen und zwei bereits mehr als 50 Firmen betreuenden Technologiezentren sowie einer biotechnologisch ausgerichteten Firma.

Mit der öffentlichen Vortragsreihe „Noble Gespräche“ werden am Beutenberg Campus zweimal jährlich namhafte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler präsentiert, die ihre Forschung einem breit gefächerten Publikum in allgemeinverständlicher Form vorstellen. Die Vorträge behandeln aktuelle Themen aus Wissenschaft und Technik und werden in der Regel auf Deutsch gehalten.
Die Veranstaltung wird von der Carl-Zeiss-Stiftung gefördert.

Der Beutenberg-Campus Jena e.V. schreibt seit 2005 jährlich die Wissenschaftspreise „Lebenswissenschaften und Physik“ aus. Dabei werden hervorragende Arbeiten von Nachwuchswissenschaftler:innen des Beutenbergs gewürdigt. Die Preise sind mit jeweils 1000 Euro dotiert.

Das Max-Planck-Institut für chemische Ökologie erforscht die Rolle, Vielfalt und Eigenschaften chemischer Signale, die die Wechselwirkungen zwischen Lebewesen und ihrer Umwelt steuern. Ziel der Forschung ist es, grundlegende Erkenntnisse über die chemische Kommunikation zwischen Pflanzen, Insekten und Mikroorganismen zu gewinnen und zu verstehen, wie diese Aspekte die Entwicklung eines einzelnen Lebewesens, aber auch die Evolution der Arten beeinflussen.  Das Institut mit fünf Abteilungen und sieben selbständigen Forschungsgruppen befindet sich auf dem Beutenberg-Campus in Jena und beschäftigt rund 350 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Am Institut arbeiten Forscherinnen und Forscher aus den Bereichen Naturstoffchemie, Biochemie, Ökologie, Mikrobiologie, Entomologie, Verhaltensforschung, Insektengenetik und Physiologie zusammen, um die Komplexität der chemischen Kommunikation in der Natur zu entschlüsseln. Sie analysieren ökologische Wechselwirkungen mit molekularen, chemischen und neurobiologischen Techniken.  www.ice.mpg.de

Das Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie wurde 1992 gegründet und gehört seit 2003 zur Leibniz-Gemeinschaft. Die Wissenschaftler*innen des Leibniz-HKI befassen sich mit der Infektionsbiologie human-pathogener Pilze. Sie untersuchen die molekularen Mechanismen der Krankheitsauslösung und die Wechselwirkung mit dem menschlichen Immunsystem. Neue Naturstoffe aus Mikroorganismen werden auf ihre biologische Aktivität untersucht und für mögliche Anwendungen als Wirkstoffe zielgerichtet entwickelt.
Das Leibniz-HKI verfügt über acht wissenschaftliche Abteilungen und drei Forschungsgruppen, deren Leiter*innen überwiegend berufene Professor*innen der Friedrich-Schiller-Universität Jena sind. Hinzu kommen mehrere Nachwuchsgruppen und Querschnittseinrichtungen mit einer integrativen Funktion für das Institut. Gemeinsam mit der Universität Jena betreibt das Leibniz-HKI die Jena Microbial Resource Collection, eine umfassende Sammlung von Mikroorganismen und Naturstoffen. Zurzeit arbeiten etwa 450 Personen am Leibniz-HKI, davon 150 Promovierende.
Das Leibniz-HKI ist Kernpartner großer Verbundvorhaben wie dem ExzellenzclusterBalance of the Microverse, der Graduiertenschule Jena School for Microbial Communication, der Sonderforschungsbereiche FungiNet (Transregio), ChemBioSys und PolyTarget, des Zentrums für Innovationskompetenz Septomics und des Leibniz-Zentrums für Photonik in der Infektionsforschung. Das Leibniz-HKI ist zudem Nationales Referenzzentrum für invasive Pilzinfektionen. www.leibniz-hki.de